BÜcher

 

Wer putz die Schweiz?

Von den über 200 000 Menschen, die in der Schweiz Reinigungsarbeiten verrichten, sind die meisten Migrantinnen und Migranten. Oft nehmen wir sie nicht wahr, sondern stellen höchstens fest, dass unsere Büros am nächsten Morgen wieder sauber, die Restauranttoiletten geputzt sind oder im Spital alles frisch desinfiziert wurde. Falls jemand unsere Wohnung putzt, kennen wir sie oder ihn zwar persönlich, doch oft nicht viel persönlicher. Mit ihren Reportagen porträtieren Marianne Pletscher und Marc Bachmann neun Personen und ein Ehepaar, die in der Tieflohnbranche der Reinigung tätig sind oder waren – permanent unter Druck, die gesetzlichen Integrationsanforderungen zu erfüllen, keine Schulden anzuhäufen und möglichst keine Sozialhilfe zu beziehen.

Autorin und Autor : Marianna Pletscher und Marc Bachmann

Limmat Verlag, Februar 2022

 

Eine afghanische Lebensgeschichte

Hazara, ein afghanischer Junge, musste mit seiner Familie vor den Taliban in ein Nachbarland flüchten und wuchs dort in den Nullerjahren unter schwierigen Bedingungen auf. Flüchtlinge waren nicht willkommen, oft lebten sie wie Hazaras Familie ausgegrenzt und in Armut. Katharina Morello lässt Hazara erzählen, wie er sich über viele Stationen vom sechsjährigen Blumenverkäufer zum Mechaniker mit eigener Garage und Hausbesitzer hocharbeitete, wie er sich allen Widrigkeiten zum Trotz mit Mut, Wut und Fantasie nicht nur einen Platz in der Gesellschaft, sondern auch die Liebe seines Lebens erkämpfte – um dann alles wieder zu verlieren.

Autorin : Katharina Morello

Limat Verlag, April 2022

 

Mutter, mach dir keine Sorgen, das ist eine ganz andere Welt

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Guled musste als neunjähriges Kind seine Familie in Somalia verlassen und traf als Siebzehnjähriger in der Schweiz ein. Ali flüchtete mit seiner Familie aus Afghanistan, verlor diese bei einem Polizeiangriff in der Türkei aus den Augen und gelangte als Fünfzehnjähriger allein in die Schweiz. Aamina floh als Vierzehnjährige vor einer Zwangsheirat aus Somalia.

Sie werden UMA genannt – unbegleitete minderjährige Asylsuchende –, Kinder und Jugendliche, die ohne ihre Familie in der Schweiz Asyl beantragen. In diesem Buch geben elf Jugendliche den drei Buchstaben ein Gesicht. Die Jugendlichen erzählen von Fluchtgründen und ihren prägenden Erfahrungen, von der Ankunft in der Schweiz, wo sie nach ihrer grossen Willensleistung auf der Flucht auf einmal warten müssen und nichts tun können. Ihre Erzählungen werfen aber auch ein hilfreiches Licht auf die Bemühungen der Schweiz um ihre Integration.

Limmat Verlag, März 2021

 

Unsichtbar

Kidanes Geschichte ist die von vielen Eritreer*innen, die die Schweiz nach einem rechtsgültigen Wegweisungsentscheid aus Angst vor einer Rückführung und/oder der Perspektivlosigkeit im Nothilfe-Regime verlassen haben. Sie haben daraufhin in anderen europäischen Ländern (Deutschland, Frankreich, Belgien etc.) Zuflucht gesucht. Dort leben sie unter prekären Bedingungen – meist auf der Strasse – und in ständiger Angst, im Rahmen des Dublin-Abkommens in die Schweiz zurückgeführt zu werden. Nach Eritrea zurück können sie nicht, denn das Regime, vor dessen endlosem Nationaldienst mit den vielfach dokumentierten Menschenrechtsverletzungen sie geflohen sind, ist noch immer an der Macht.

Autorin : Ursula Yelin
Illustratorin : Barbara Yelin

Juni 2019

 

Über die Berge und über das Meer

Jedes Jahr im Frühling kommen die Nomaden auf dem Weg zu ihrem Sommerlager in den afghanischen Bergen in Sorayas Dorf vorbei. Mit ihnen kommt Tarek, der so wunderbare Geschichten zu erzählen weiss. Doch dieses Jahr wartet Soraya vergeblich auf ihn.
Als siebte Tochter ist sie einem alten Brauch zufolge als Junge aufgewachsen, konnte sich frei bewegen und zur Schule gehen. Mit vierzehn Jahren hat sie jedoch das Alter erreicht, wo sie schon längst wieder als Mädchen leben sollte, in der Stille des Hauses. Die Taliban drängen unmissverständlich darauf. Auch Tarek haben sie bedroht. Sie erwarten, dass der erfahrene Spurenleser für sie arbeitet.
Tarek und Soraya sehen keinen anderen Ausweg: Unabhängig voneinander machen sie sich auf in die Fremde. In den Bergen treffen sie unverhofft aufeinander.

Autor: Dirk Reinhardt

Gerstenberg, Januar 2019

 

Geflüchtet. Zu Hause in Deutschland, daheim in Syrien

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Abdullah kommt aus Syrien. Er ist 16, als er aus seinem Heimatort Ar-Raqqa flieht. Sein älterer Bruder wurde verschleppt, sein Vater bei einem Bombenangriff getötet. Weil die Bedrohung immer grösser wurde, stattete seine Familie ihn mit Geld aus. Abdullah schlug sich nach Deutschland durch. In einem Jugendheim findet er Sicherheit und ein neues Zuhause. Doch das Ankommen ist nicht leicht: Hautnah erlebt Abdullah, dass Flüchtlinge wie er als "Islamratten" beschimpft werden. Ständig spürt er misstrauische Blicke. Doch er bekommt auch immer wieder freundliche Hilfe, die ihm Hoffnung gibt. Hoffnung auf seine Zukunft in Deutschland, in einer Welt ohne Krieg.

Herausgeberin : Kerstin Kropac

Arena Verlag, Februar 2018

 

Mein Freund Salim

Am Spielplatz sehen Hannes und sein Schwester ihn zum ersten Mal–den „Vogeljungen“, wie Hannes ihn wegen der Jacke nennt. Rosafarbene Vögel sind darauf gestickt, ein Hinweisdarauf, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Welcher Junge mit Selbstwertgefühlträgt so etwas freiwillig? Auch sonst ist Salim anders: Er spricht kaum und läuft immer wieder davon. Nur langsam fasst er Vertrauen zu Hannes und hilft ihm bei der Umgestaltung des Gruselkabinetts in der Schule: Er zeichnet–zunächst Vampire und Piraten, dann Bilder von endloser Wüste, von kleinen Booten im stürmischen Meer. Langsam erfahren die Kinder so von Salims Flucht aus Syrien in Richtung Schweden. Dort hofft er, seine Familie wiederzufinden.

Autorin : Uticha Marmon

Magellan Verlag, Juli 2017

 

Tausend Meilen über das Meer. Die Flucht des Karim Deeb

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Es ist eine Geschichte, wie sie im vergangenen Jahr viel zu oft erzählt wurde–erzählt werden musste. Karim Deeb spricht von seiner Flucht aus Homs, von der gefährlichen Reise übers Meer, die er, anders als mehrere seiner Mitreisenden, überlebt hat. Jetzt ist er sicher in Deutschland, mit positivem Asylbescheid, einigermaßen in die Klassengemeinschaft integriert–ein versöhnliches Ende, könnte man meinen, wenn es denn das Ende wäre. Aber das ist es nicht. Denn einerseits beschuldigt ihn plötzlich eine Mitschülerin der sexuellen Belästigung, andererseits verfolgen Karim die Schrecken des Krieges und der Flucht. Immer wieder brechen in Rückblicken Erinnerungen von der Reise durch: von Homs nach Ägypten, vom Schlauch-aufs Schlepperboot, so war der Plan. Die Schlepper haben andere Pläne. Karim wird zum Ertrinken zurückgelassen, von Polizeispitzeln gerettet und ins Gefängnis gebracht. Der Tod vor ihm ist nur geringfügig weniger sicher als der hinter ihm. Karim wagt es trotzdem. Annabel Wahba hat für ihren Roman mehrere Gespräche mit Flüchtlingen geführt: die konzeptionelle Struktur ist bei der Lektüre spürbar, das beklemmende Gefühl beim Lesen mindert das allerdings nicht.

Autorin : Annabel Wahba

Cbj Verlag, September 2016

 

Die Flucht

Das momentan in Tagespolitik und Kinderliteratur sehr präsente Thema Flucht wird hier von einer jungen Künstlerin mit einem bemerkenswerten Fokus umgesetzt: Im Zentrum ihrer Bilder, für die sie mit verschiedensten Materialien haptisch und digital experimentierte, steht stets die Stärke jener Menschen, die diesen Schritt wagen. Der Krieg, der die kindliche Erzählstimme und ihre Familie zur Flucht zwingt, wird in tiefem Schwarz dargestellt. Die Bewegung der Flucht zieht sich durch die längsformatigen Doppelseiten des Bilderbuchs, ein Debut, das mit der Goldmedaille der Society of Illustrators in New York, sozusagen dem Oscar der Illustration, ausgezeichnet wurde. „Auf Bilder kann man zeigen, Worte sind nur Stellvertreter” hat Francesca Sanna in einem Gespräch formuliert-ihr Buch bestätigt das durch seinen gekonnten Umgang mit Bildsprache und Farbigkeit.

Autorin : Francesca Sanna

NordSüd Verlag, Juli 2016

 

Heimat im Kochtopf

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Menschen, die gezwungen sind, aus ihrer Heimat zu fliehen, müssen meist so gut wie alles Materielle zurücklassen. Dafür bringen sie ein reiches kulturelles Gepäck mit - etwa ihre kulinarischen Traditionen. Das gemeinsame Essen, das in ihrem täglichen Leben ohnehin einen großen Stellenwert genießt, wird in der Fremde zum ganz besonderen Ritual: eben Heimat im Kochtopf. 12 Flüchtlingsfamilien - unter anderem aus Äthiopien, Afghanistan, Eritrea, Guinea Conakry, Kurdistan, Mongolei, Sri Lanka, Tibet - laden in diesem außergewöhnlichen Kochbuch zu Tisch. Solidarität geht durch den Magen!

Autorinnen : Séverine Vitali und Ursula Markus

Rotpunktverlag, November 2015

 

Jenseits des Meeres

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Die Fluchtgeschichte des ungefähr 10-jährigen Malik und seines Großvaters spielt zu ungewisser Zeit in einer unbekannten Hafenstadt. Als Waisenkind überquert der Protagonist, auf dem letzten Schiff in Richtung Frieden, das Meer. Gerade diese Leerstellen erinnern an die konstante Brisanz des Themas, ohne sich dabei plakativ aufzudrängen. Statt dem Auserzählen von politischem oder historischem Hintergrund fällt der Fokus auf zwischenmenschliche Beziehungen und Dialoge. Zugleich wird die Entwicklungsgeschichte Maliks verfolgt, der sich schließlich mit Schlauheit und ungeahntem Können zu helfen weiß. Es zeigt sich, dass Furchtlosigkeit und Vertrauen–zumindest in dieser Geschichte-allen Hindernissen zum Trotz sicher ans Ziel bringen.

Autor : Jon Walter

Königskinder Verlag, Oktober 2015

 

Zuhause kann überall sein

„Meine Tante nannte mich Wildfang. Dann kam der Krieg und meine Tante nannte mich nicht mehr Wildfang. Um in Sicherheit zu sein, kamen wir in dieses Land. Alles war fremd.“ So lapidar beginnt dieses australische Bilderbuch–die Fremdheitserfahrung, die die kindliche Protagonistin mit Worten benennt, wird in den Bildern stark über farbliche Kontraste markiert: Während das neue Land in kühlen, hellen Farben dargestellt wird, haben das Mädchen und ihre Tante dunkle Haut und tragen Kleidung in leuchtenden, warmen Farben. Für die langsame Annäherung und schließlich das sich Zuhause fühlen in der neuen Umgebung, der neuen Sprache, wird das auch für jüngere Kinder gut fassbare (Sprach-)bildeiner warmen, Geborgenheit spendenden Decke gewählt–und am Schlussbild schließlich ist die gelungene Integration auch an der harmonischen Durchmischung der Farben zu sehen. Im Juni 2016 erschien das Buch in einer broschierten Ausgabe in deutscher und arabischer Sprache.

Autorin : Irena Kobald und Freya Blackwood

Knesebeck Verlag, Februar 2015

 

Hesmats Flucht

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Afghanistan-Tajikistan-Usbekistan-Kasachstan-Russland-Weißrussland-Ukraine-Ungarn-Slowakei-Österreich: Endstation Telfs. Der elfjährige Afghane Hesmat muss fliehen, vor der Geschichte seines eigenen Landes, vor dem Erbe seiner Familie. Er allein glaubt an seine Stärke, an seine Kraft den Hindukush zu überqueren, seinen Mut tagelang eingepfercht in Kisten am Leben zu bleiben. Hunger, Durst, Tod und Angst sind ständige Begleiter. Hesmats wahre Geschichte eröffnet eine Welt, in der das einzige Geschäft das Leid der Menschen ist, eine Welt der Flüchtlinge und der organisierten Schlepper. Authentisch, eindrücklich und schonungslos wird Hesmats Flucht geschildert, vorbei an Bergen von Toten und Seen von Blut. Atem-los, immer auf Hesmats Augenhöhe, nie einen Schritt voraus, sind die Leser*innen gezwungen, all diese Strapazen an Hesmats Seite zu durchleben. Vertraue niemandem, wurde er gewarnt, aber manchmal muss man sein Herz öffnen, um am Leben zubleiben.

Autor : Wolfgang Böhmer

Cbt Verlag, Dezember 2014

 

Wahid will bleiben

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Es gab Menschen, die sahen Wahid komisch an, wenn er auf der Strasse spazieren ging. Und manche blickten angestrengt an ihm vorbei. Dabei sah er nicht anders aus als andere, fand Wahid.
Eine Geschichte über Ankommen und Aufgenommen-Werden in einem fremden Land, über Heimweh und neu gewonnene Freundschaften, über einen minderjährigen Flüchtling und seine Unterstützung durch eine Patenfamilie. Im Anschluss an die Geschichte, deren Ende offen bleibt, wird das Projekt connecting people vorgestellt, dass Patenschaften für minderjährige Flüchtlinge vermittelt. Ab 9 Jahren.

Autoren : Franz-Joseph Huainigg und Inge Fasan

Bibliothek der Provinz, September 2014

 

Krieg. Stell dir vor, er wäre hier.

Das schmale, aber gewichtige Büchlein entwirft ein Was-wäre-wenn-Szenario, in dem die Auswirkungen eines möglichen Zusammenbruchs der Europäischen Union erörtert werden. Die aktuell diskutierte Flüchtlingssituation wird dabei verkehrt: Europäerinnen suchen in arabischen Ländern Asyl, um dem Krieg in ihrem Land zu entfliehen. Ergebnis sind zerrissene Familien, der Kampf um Arbeitsgenehmigungen und Verständigungsprobleme. Das Leben als „Mensch dritter Klasse“ wird mit hoher Authentizität geschildert und durch die intensiven, teils abstrakten Illustrationen noch verstärkt. Dieses Gedankenspiel eröffnet eine spannende neue Perspektive und bringt ein potentielles Schicksal vielleicht näher an Lesende heran, als es das tagespolitische Geschehen vermag. Flucht und deren Gründe werden sachlich nachvollziehbar gemacht, ohne auf Mitgefühl zu verzichten. Besonders bemerkenswert ist auch, dass die verschiedenen Übersetzungen des ursprünglich dänischen Textes an die jeweiligen geopolitischen Situationen angepasst wurden.

Autorin : Janne Teller

dtv Verlag, August 2013